Donnerstag, 2. Februar 2012

Golf oder Poesie

Ich bin Studentin. Keine besonders fleißige, wie ich leider zugeben muss. Aber ich gelobe Besserung! "Fürs Studium mehr machen" steht direkt unter "mit dem Rauchen aufhören" auf meiner To-Do-Liste für 2012. Ich liebe To-Do-Listen. Ich schreibe oft Sachen drauf, die ich bereits erledigt habe, nur um etwas durchstreichen zu können. Denn seien wir mal ehrlich, das ist schon ein geiles Gefühl. Gut, im Grunde bescheißt man sich selber, aber wen juckt das schon. Zurück zu meinem Studium, ich studiere Germanistik und Kunstgeschichte im sechsten Semester. Klingt langweilig? Ist es auch. Aber irgendwie mag ich es trotzdem, sonst würde ich es ja nicht studieren. Nun gut, bevor ich mich hier um Kopf und Kragen schreibe, werde ich lieber schnell los, was ich wollte.
Also...eigentlich sollte das keine Kunstpause werden, und jetzt wurde es das doch. Egal. Wir hatten in Germanistik ein Seminar über die Lyrik von Eugen Roth. Wer nicht weiß, wer der das ist. Googeln. Oder bleiben lassen. Die Gedichte von ihm haben mich jedenfalls dermaßen inspiriert, dass ich auch eins geschrieben habe.
Hier ist es:

Ein Mensch sitzt abends ganz alleine,
bei Brot und Wein in seinem Heime.
Und denkt bei sich "wo führt das hin?"
und sinnt nach seinem Lebenssinn.

Die Frau schon seit drei Jahren fort,
lebt nun an einem andren Ort.
Die Arbeit sich nur schwerlich tut,
wo ist er hin, der Lebensmut?

So denkt der Mensch noch lange dran,
was er denn schon verändern kann.
Ja, wenn das Geld doch würde reichen,
müsst' Lebensträume nimmer streichen.

"Genug gejammert!" sagt der Mensch zu sich,
und fühlt sich sogleich besserlich.
So hat doch keiner niemals gesagt,
dass nichts sich ändert, wenn man nichts wagt.

Keine Sorge, ich erwarte weder "Ah"-, noch "Oh"-Rufe, auch wenn ich natürlich nichts dagegen habe. Aber ich frage mich, ob Poesie wirklich ein geeignetes Mittel zum Ausdrücken von Gefühlen ist. Denn eigentlich waren mir Gedichte jeglicher Art schon immer verhasst. Mit Gryphius oder Mörike kann man mich jagen! Menschen die sich dafür begeistern sind mir suspekt. Und ja, ich weiß, dass man keine Vorurteile haben soll. Hab ich aber. Ist ja auch menschlich, oder? Wie zum Beispiel Menschen, die Golf spielen. Oder Segelschuhe tragen! Pullunder! Perlenhalskette mit einem Twin-Set kombinieren! Sind das Vorurteile? Oder schlichtweg die Wahrheit: solche Menschen sind Spießer. Das soll keine Feststellung sein, mehr eine Frage. Wo kommen wir am Ende hin mit unseren Vorurteilen? Mir fällt auf, dass sich meine Vorurteile hauptsächlich auf Kleidung beschränken. Ein Freund von mir hat beispielsweise welche gegen dicke Menschen. Ich nicht, aber macht mich das zu einem besseren Menschen oder anders gefragt, ihn zu einem schlechten? Meine beste Freundin hat Vorurteile gegen große blonde Frauen mit langen Beinen. Da stellt sich mir die Frage, ob wir gegenüber den Sachen Vorurteile haben, von denen wir uns bedroht fühlen. Aber wer gibt schon gerne zu, dass er sich bedroht fühlt. Das hieße Schwäche zeigen und das wird zur heutigen Zeit gar nicht gern gesehen. Der Mensch muss ja funktionieren. Immer und überall. Tun wir also in Wahrheit alles leichtfertig als Vorurteil ab, was uns bedroht? Bei meiner Freundin würde das vielleicht sogar hinkommen. Aber fühle ich mich von golfspielenden Segelschuhträgern bedroht? Ich möchte diese Frage eher verneinen. Obwohl man auch mir Neid unterstellen könnte. Interessant wohin mich mein Gedicht getrieben hat. Zu einer Frage über Vorurteile. Dann ist Lyrik vielleicht doch zu was gut und regt wirklich zum nachdenken an, wie viele meinen. Wahrscheinlich trage ich in zwanzig Jahren eh Perlenhalsketten und spiele in weißen Twin-Sets Golf.
Wer sich nun fragt, was der Inhalt des Gedichtes mit Vorurteilen zu tun hat, dem kann ich sagen: Nichts. Tut mir leid, aber einen Bogen vom Lebenssinn bishin zu Vorurteilen zu schlagen, schaffe ich nicht. Oder habe ich das gerade gemacht?

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