WORTreich

Mittwoch, 26. März 2014

Neu, besser, 90er

2014. Das Jahr, in dem der Vollbart wieder in Mode kommt, das Selfie zur Suchtkrankheit werden kann und man sich wie nie zuvor nach den 90ern zurücksehnt. Es scheint das Jahrzehnt zu werden, in dem jeder Trend schnelllebiger und jedes Must-have schneller out und langweilig ist als je zuvor. Woran liegt das? Ich würde ja jetzt gerne wie Werner Schulze-Erdel sagen "Wir haben 100 Leute befragt", aber erstens dauert mir das dann doch zu lange und zweitens habe ich schon immer lieber von mir auf andere geschlossen. Warum finde ich den Gedanken an Schnapparmband und Schnullerkette viel verlockender als die Frage, welche Statement-Kette heute zum Ethno-Dress von Urban Outfitters passt. Wahrscheinlich sind im Grunde erst mal wieder die Medien Schuld. Das finde ich gut, so muss ich schon mal mindestens 60 % der Schuld nicht bei mir oder der Gesellschaft suchen. Die Frage ist im Grunde aber nicht, warum ich am liebsten gefühlt jeden Tag einem neuen Trend hinterherhetzen möchte - denn wir wissen alle, dass das schon immer so war und auch immer so bleiben wird - sondern vielmehr ist interessant, warum die Abstände zwischen dem zufriedenen Gefühl und dem Drang nach Neu bzw. Retro immer kürzer werden. Die Welle, mit der man sich nach den 90ern zurücksehnt scheint derzeit das Land zu überfluten. Wohin das Auge blickt: 90er Trash. Weil ist ja alles viel cooler und im Vergleich zur Statement-Kette ist die Schnullerkette ja auch schon wieder innovativ. Ich mache das alles brav mit und um ehrlich zu sein, ich mache das sogar gerne mit, aber in einem stillen Moment - ohne Barbie Girl von Aqua oder Taro von Alt-J - wenn man mal in sich hineinhorcht, dann ist das echt anstrengend. Und was mich vor allem erstaunt, das ganze weitet sich inzwischen auch auf meine Beziehungen aus. Ich finde Männer, die im Grunde wirklich nett und witzig sind, die richtige Musik hören und sogar meinen Filmgeschmack teilen, schneller langweilig als ich sie überhaupt gut finden kann. Ich ertappe mich in der letzten Zeit deutlich zu oft dabei, wie ich mich an meine Jugendbeziehungen zurückerinnere. Und ich bin Mitte zwanzig, wenn ich Ende 80 wäre, fänd ich das nämlich voll okay. In einer Woche findet das lang ersehnte Staffelfinale der Serie "How I Met Your Mother" statt. Lang ersehnt, weil man im Grunde froh ist, wenn Ted nach 9 Jahren endlich (!) auf seine Traumfrau trifft und das fast zwanghafte Schauen der Serie (denn was angefangen wurde, wird auch zu Ende geschaut) ein Ende hat. Aber was kommt danach? Was kommt nach dem 90er-Hype? Die 60er? Von mir aus, ich mach's ja eh mit. Nur vielleicht nicht so schnell, bis zum Sommer schwelge ich noch in den 90ern. Man muss sich ja die Zeit nehmen.

Donnerstag, 1. März 2012

Kino und Küsse

Wer war schon mal alleine im Kino, Hand hoch! Ich habe es gestern versucht. Betonung auf versucht. Ich habe noch während dem Warten auf Einlass die Biege gemacht. Ich wurde die ganze Zeit mitleidig belächelt, als hätte ich keine Freunde. Ist das armselig? Also das alleine ins Kino gehen? Oder zeugt es eher von einer Menge Selbstbewusstsein? Wenn ja, dann hat sich meines wohl gestern gut versteckt. Was mich zu der Frage führt, warum es bestimmte Freizeittätigkeiten gibt, die man nicht alleine machen sollte. Oder bei welchen die Gesellschaft einem einredet, man dürfe sie nicht alleine machen. Spazieren gehen geht ja auch alleine. Oder Museum. Aber Kino? Nee. Man wird belächelt. Toll. Wann hat das eigentlich angefangen? Ich bin mir sicher, Eva wäre alleine ins Kino gegangen, wenn Adam keine Lust auf die neue Nicholas Sparks Verfilmung gehabt hätte. Und wenn es da schon Kinos gegeben hätte. Heutzutage wird für den Großstadtsingle ja allerhand geboten, das geht von der Single-Party bis hin zur Single-Packung Klopapier. Sogar Käse gibt es abgepackt für den Ein-Personen Haushalt. Aber Kino geht eben nicht alleine. So wie Schach. Oder küssen. Max Raabe sollte einen neuen Liedtext schreiben. „Kino, das geht auf keinen Fall alleine…“ Oder so. Ich glaube, ich werde das mit dem Kino-alleine-Besuch nochmal wiederholen. Aber am nächsten Kinotag. Da ist der Geldverlust nicht ganz so hoch, falls ich wieder die Flucht ergreifen muss. Wie das klingt, „die Flucht ergreifen“. Dramatisch. Laufe ich im Grunde also eigentlich vor mir selbst davon? Weil ich es keine neunzig Minuten mit mir und der Tüte Popcorn aushalte? Ich weiß es nicht. Aber alleine die Vorstellung Johnny Depp, Daniel Craig und Konsorten bei rasanten Verfolgungsjagden und/oder wildem Rumgeknutsche auf der Leinwand betrachten zu müssen und diese einschneidenden Erlebnisse mit keinem teilen zu können, lösen großen Unmut in mir aus. Apropos rumknutschen. Küssen alte Menschen eigentlich mit Zunge? Ich weiß, ungewohnt rascher Themenwechsel, aber es kam mir gerade in den Sinn. Ist der Zungenkuss so eine neumodische Erfindung, die etwa zur gleichen Zeit wie die Anti-Baby-Pille entstanden ist? Oder haben schon unsere Großeltern heimlich unter der Bettdecke geknutscht. Mal ehrlich, wer hat schon mal ein älteres Ehepaar wild küssend auf der Straße gesehen? Ich nicht. Wenn ich beim nächsten Kino-alleine-Versuch wieder die Biege mache, nutze ich die Zeit und halte nach solchen Paaren Ausschau.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Golf oder Poesie

Ich bin Studentin. Keine besonders fleißige, wie ich leider zugeben muss. Aber ich gelobe Besserung! "Fürs Studium mehr machen" steht direkt unter "mit dem Rauchen aufhören" auf meiner To-Do-Liste für 2012. Ich liebe To-Do-Listen. Ich schreibe oft Sachen drauf, die ich bereits erledigt habe, nur um etwas durchstreichen zu können. Denn seien wir mal ehrlich, das ist schon ein geiles Gefühl. Gut, im Grunde bescheißt man sich selber, aber wen juckt das schon. Zurück zu meinem Studium, ich studiere Germanistik und Kunstgeschichte im sechsten Semester. Klingt langweilig? Ist es auch. Aber irgendwie mag ich es trotzdem, sonst würde ich es ja nicht studieren. Nun gut, bevor ich mich hier um Kopf und Kragen schreibe, werde ich lieber schnell los, was ich wollte.
Also...eigentlich sollte das keine Kunstpause werden, und jetzt wurde es das doch. Egal. Wir hatten in Germanistik ein Seminar über die Lyrik von Eugen Roth. Wer nicht weiß, wer der das ist. Googeln. Oder bleiben lassen. Die Gedichte von ihm haben mich jedenfalls dermaßen inspiriert, dass ich auch eins geschrieben habe.
Hier ist es:

Ein Mensch sitzt abends ganz alleine,
bei Brot und Wein in seinem Heime.
Und denkt bei sich "wo führt das hin?"
und sinnt nach seinem Lebenssinn.

Die Frau schon seit drei Jahren fort,
lebt nun an einem andren Ort.
Die Arbeit sich nur schwerlich tut,
wo ist er hin, der Lebensmut?

So denkt der Mensch noch lange dran,
was er denn schon verändern kann.
Ja, wenn das Geld doch würde reichen,
müsst' Lebensträume nimmer streichen.

"Genug gejammert!" sagt der Mensch zu sich,
und fühlt sich sogleich besserlich.
So hat doch keiner niemals gesagt,
dass nichts sich ändert, wenn man nichts wagt.

Keine Sorge, ich erwarte weder "Ah"-, noch "Oh"-Rufe, auch wenn ich natürlich nichts dagegen habe. Aber ich frage mich, ob Poesie wirklich ein geeignetes Mittel zum Ausdrücken von Gefühlen ist. Denn eigentlich waren mir Gedichte jeglicher Art schon immer verhasst. Mit Gryphius oder Mörike kann man mich jagen! Menschen die sich dafür begeistern sind mir suspekt. Und ja, ich weiß, dass man keine Vorurteile haben soll. Hab ich aber. Ist ja auch menschlich, oder? Wie zum Beispiel Menschen, die Golf spielen. Oder Segelschuhe tragen! Pullunder! Perlenhalskette mit einem Twin-Set kombinieren! Sind das Vorurteile? Oder schlichtweg die Wahrheit: solche Menschen sind Spießer. Das soll keine Feststellung sein, mehr eine Frage. Wo kommen wir am Ende hin mit unseren Vorurteilen? Mir fällt auf, dass sich meine Vorurteile hauptsächlich auf Kleidung beschränken. Ein Freund von mir hat beispielsweise welche gegen dicke Menschen. Ich nicht, aber macht mich das zu einem besseren Menschen oder anders gefragt, ihn zu einem schlechten? Meine beste Freundin hat Vorurteile gegen große blonde Frauen mit langen Beinen. Da stellt sich mir die Frage, ob wir gegenüber den Sachen Vorurteile haben, von denen wir uns bedroht fühlen. Aber wer gibt schon gerne zu, dass er sich bedroht fühlt. Das hieße Schwäche zeigen und das wird zur heutigen Zeit gar nicht gern gesehen. Der Mensch muss ja funktionieren. Immer und überall. Tun wir also in Wahrheit alles leichtfertig als Vorurteil ab, was uns bedroht? Bei meiner Freundin würde das vielleicht sogar hinkommen. Aber fühle ich mich von golfspielenden Segelschuhträgern bedroht? Ich möchte diese Frage eher verneinen. Obwohl man auch mir Neid unterstellen könnte. Interessant wohin mich mein Gedicht getrieben hat. Zu einer Frage über Vorurteile. Dann ist Lyrik vielleicht doch zu was gut und regt wirklich zum nachdenken an, wie viele meinen. Wahrscheinlich trage ich in zwanzig Jahren eh Perlenhalsketten und spiele in weißen Twin-Sets Golf.
Wer sich nun fragt, was der Inhalt des Gedichtes mit Vorurteilen zu tun hat, dem kann ich sagen: Nichts. Tut mir leid, aber einen Bogen vom Lebenssinn bishin zu Vorurteilen zu schlagen, schaffe ich nicht. Oder habe ich das gerade gemacht?

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